… neulich in Wardt

Auf einer Insel zu leben ist etwas Besonderes und erfordert eine gewisse Vorausschau und Umsicht. Mal „eben schnell“ in die Stadt, zum Bäcker, zum Einkauf, zum Baumarkt, zum Friseur, zum Arzt oder Krankenhaus kann mitunter eine Herausforderung sein. Ich denke, ich beschreibe hier nichts Neues – alle Wardter haben das schon erlebt. Vor allem dann, wenn es schnell gehen muss. Da ist dann die Klappbrücke hochgezogen und lässt sich, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr bewegen. Die Autos stauen sich bis zum „Inselbrot-Bäckerwagen“ und keiner weiß Bescheid und keiner will´s gewesen sein.

Da finden Großveranstaltungen im „Strandbad“ statt, mit der Folge, dass viele Menschen – und ich meine sehr viele Menschen – mit dem eigenen PKW anreisen und die einzige offizielle Zufahrtsstraße in unser Dorf auf der Suche nach dem Haupteingang oder einem Parkplatz blockieren und zustellen. Wenn man dann auch noch als Radfahrer ins Dorf will und der abenteuerlichen Verkehrsführung für Fahrräder folgen muss, frage ich mich, wer sich so etwas ausgedacht und dann auch noch genehmigt hat.

Beatrice Egli und Co. können da nichts für. Bei einer guten Planung und Koordination könnte man das Problem bestimmt in den Griff bekommen. Wir haben mehr als 20 Jahre lang das „Xantener Oktoberfest“ mitfeiern dürfen und es hat viel Zeit gebraucht, bis nach einem langen Lernprozess das chaotische Wardter Verkehrsproblem zufriedenstellend gelöst wurde.

Das man die Errungenschaften dieses Lernprozesses, bzw. die gesammelten Erfahrungen, einfach wieder vergisst oder ignoriert, bleibt mir ein Rätsel und hat mit Scharfsinn, sprich Planung und Vorausschau, wenig zu tun.

Die Wardter Insel zu erreichen und sie auch wieder zu verlassen, ist tatsächlich mehrmals im Jahr mit großen Schwierigkeiten verbunden. Zu nennen sind hier Ereignisse wie extreme Besucherzuströme ins Strandbad an warmen, schönen Sommertagen, Events und Veranstaltungen auf dem Strandbadgelände und der alljährliche Xantener Triathlon. Auch das Xantener Oktoberfest, das uns jedes Mal einen ganzen Monat lang begleitet hat, soll nicht unerwähnt bleiben, auch wenn es aktuell nicht mehr stattfindet und bis auf Weiteres ausgesetzt ist.

Für Auswärtige, also ortsunkundige Gäste, ist die Klappbrücke der einzige Weg, um zu diesen Events zu gelangen. Für Einheimische, also Dorfbewohner, die im Übrigen diese von der Stadt Xanten beworbenen Events ertragen müssen, gibt es durchaus noch andere Möglichkeiten, die Insel zu betreten und auch wieder zu verlassen.

Da wären zu nennen: der Radweg auf dem Rheindeich Richtung Vynen, der Willibrordfeldweg Richtung Lüttingen und, last but not least, die „Landwirtschaftliche Brücke Wardt“ Richtung Mörmter. Alle „alten“ Wardter sollten jetzt eine kleine Denkpause einlegen und mal darüber nachdenken, was ein Schildbürgerstreich ist und wo diese Schildbürger zu verorten sind.

Die landwirtschaftliche Brücke wurde zu einer Zeit gebaut, als es tatsächlich noch Landwirte im Dorf gab. Auslöser für den Bau dieser Brücke war der Bau der Klappbrücke, die man als besondere Attraktion für das zukünftige Inseldorf errichtet hatte – übrigens, bevor es überhaupt Wasserflächen gab. Man muss sich das mal vorstellen: Da gab es eine Brücke, sogar eine Klappbrücke, die über mehrere Jahre gar keine Funktion erfüllte. So weit, so gut.

Der Bau der landwirtschaftlichen Brücke war eine Konzession an die Landwirte, die der neuen Klappbrücke nicht trauten und den „langen“ Umweg zu ihren Feldern nicht akzeptieren wollten.

Somit entstand diese Brücke ausschließlich für den landwirtschaftlichen Verkehr und war von Anfang an für den öffentlichen Verkehr gesperrt.

Aber – das Ergebnis war – keiner hielt sich daran. Alle und ich meine alle nutzten und nutzen diesen Verkehrsweg seitdem er existiert. Das wir aktuell keine Landwirte mehr im Dorf haben, soll hier nur am Rande erwähnt werden.

Das alles sollte man wissen, wenn ich jetzt zu meinem eigentlichen Anliegen „ … neulich in Wardt“ komme.

Ich bin aus Wardt, quasi Ur-Wardter, also hier geboren, kenne natürlich auch alle Zuwegungen, Schleichwege und Trampelpfade, die ins Dorf und aus dem Dorf führen. Ich komme also mit meinem Auto von der Arbeit und möchte nach Hause in die Scholtenstraße. Der Weg führt normalerweise über die Klappbrücke. Ich sah schon von weitem, dass sich vor der hochgezogenen Brücke ein langer Stau gebildet hatte. Um diesen zu umgehen, fuhr ich ein Stückchen weiter, um so über die Bauernbrücke ins Dorf zu gelangen. Hier wurde dann meine Anreise durch einen netten Polizeibeamten jäh gestoppt, der mich anschließend freundlich um einen Brückenwegezoll bat. Alles jammern und betteln nutzte nichts, ich musste zahlen, gerne auch per Credit Card.

Einen Tag später kam es am Dorfeingang (Klappbrücke / Strandbad) zu einem exzessiven Verkehrsaufkommen durch heranströmende Badegäste, das dazu führte, dass diese bei Ihrer Anreise und später auch bei ihrer Abreise mit ihren Autos durch das Dorf irrten und natürlich auch die verbotene Bauernbrücke nutzten. Nur dieses Mal stand dort kein Beamter mit Creditkartenlesegerät am Straßenrand, obwohl die aktuelle Verkehrslage bekannt gewesen sein muss.

Jetzt wieder eine kleine Denkpause. Frage: Was passiert da eigentlich mit uns Dorfbewohnern? Die Nutzung der mittlerweile überflüssigen Bauernbrücke ist für Einheimische kostenpflichtig, für Badegäste anscheinend nicht. Oder wie soll man das verstehen? Wie dem auch sei, es ist schon ein seltsames Gebaren, zumal diese Brückenkontrollen sogar um Mitternacht durchgeführt werden. Wen wird man um diese Uhrzeit da wohl antreffen – Einheimische oder Badegäste?

Übrigens, noch etwas zum Nachdenken: Beim letzten Triathlon, das Verkehrschaos im Dorf ließ nicht lange auf sich warten, war die Bauernbrücke für den öffentlichen Verkehr freigegeben worden, wobei am Willibrordweg, der wie bereits erwähnt vor allem von ortskundigen Bewohnern genutzt wird, wieder das Creditkartenlesegerät zum Einsatz kam.

Ich denke, Augenmaß und gesunder Menschenverstand sollte vor Schildbürgertum und sturem Amtsschimmeldenken stehen. Während des geschilderten Verkehrsaufkommens hätte es im Dorf, in dem mittlerweile ca. 2000 Menschen leben, ja auch zu einer medizinischen Notfallsituation, wie Herzinfarkt oder Schlaganfall kommen können. Was passiert dann bei verstopften und gesperrten Zufahrtsstraßen? Dass die Wardter Feuerwehr an solchen Tagen aus ihrem Gerätehaus auch nur erschwert ausrücken kann, ist zumindest bemerkenswert. Wäre es da nicht sinnvoller gewesen einen geregelten Einbahnverkehr über den Willibrordweg und der Bauernbrücke, auch gegen den Einspruch der Lüttinger zu organisieren, als die Einheimischen abzukassieren? Im Übrigen haben auch Wardter „Inseldorfbewohner“ ein Recht auf Ruhe und Entspannung. Auch wir wollen unsere Wochenenden ungestört verbringen.

Peter Jung
-Oktober 2024-